Landwirtschaft im Klimawandel - ökonomische Analyse einzelbetrieblicher Anpassungsstrategien mithilfe des Betriebsmodells Farm Boss
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Der Klimawandel hat direkte (Temperatur, Niederschlag, CO2) und indirekte (Schaderreger) Auswirkungen auf die Landwirtschaft. Landwirtschaftliche Betriebe werden sich an die verändernden Umweltbedingungen anpassen müssen. In dieser Analyse wurden Anpassungsstrategien an ein verändertes Schaderregergeschehen in Niedersachsen mithilfe des Betriebsmodells Farm Boss® untersucht. 1 Einleitung und Stand der Forschung Der globale Klimawandel ist nicht aufzuhalten und schreitet unaufhaltsam voran. Regional werden sich auch für Niedersachsen Klimaveränderungen einstellen. Aktuelle Klimamodelle prognostizieren eine Verschiebung der Niederschläge in das Winterhalbjahr und zunehmend trockenere Sommer. Die Jahresmitteltemperatur wird sich mittelund langfristig um 1 bis 2,5°C erhöhen [Sc12]. Durch die globalen klimatischen Veränderungen ist auch das lokale Klima betroffen. Auch in Niedersachsen müssen Anpassungs-strategien an den Klimawandel aus Sicht der Pflanzenproduktion getroffen werden. Dies betrifft die Pflanzenproduktion in besonderem Maße, weil sie direkt vom Klima beeinflusst und betroffen ist. Temperatur, Niederschlag, Strahlung CO2 wirken sich auf die Schaderregerpopulationen aus [TU08]. Es werden sich Veränderungen im Krankheitsund Schädlingsdruck ergeben, an die die Landwirte sich anpassen müssen. Der Klimawandel hat somit direkte Auswirkung auf die Standortund Wachstumsbedingungen. Weiterhin wirkt sich das Klima auf weitere Faktoren, wie z.B. das Schaderregerpotenzial aus. Das klimabedingt veränderte Schaderregergeschehen ist somit eine indirekte Klimawirkung auf die Pflanzenproduktion [SW07]. Zu den Schaderregern zählen Schädlinge, Pilzkrankheiten, Bakterien, Virosen, Ungräser und Unkräuter. Sie haben großes Potenzial sich negativ auf die Erträge auszuwirken. Obwohl in den vergangenen 40 Jahren ein An-stieg des Pflanzenschutzmitteleinsatzes zu verzeichnen war, wurde nicht unbedingt ein Rückgang der Verluste durch Schaderreger beobachtet [Oe06]. Im selben Zeitraum stiegen auch die Erträge an, dadurch hielten Aufwand und Ertrag sich die Waage. Eine Steigerung der Intensität des Pflanzenbaus ohne Intensivierung des Pflanzenschutzes ergibt keinen Sinn. Jedoch erhöht sich durch ein gesteigertes Ertragspotenzial der Sorten auch deren Anfälligkeit gegenüber Krankheiten und Schädlingen [Oe06]. Wenn sich die Land-wirte nicht an die klimabedingt veränderte Schaderregersituation anpassen, wird es zu Schaderreger bedingten Ertragsverlusten kommen. Welche Auswirkung dies auf die ökonomische Situation von Ackerbaubetrieben hat, soll in diesem Artikel durch Deckungsbeitragsvergleiche der Produktionsverfahren mithilfe des Betriebsmodells Farm Boss® dargestellt werden. 2 Modell und Datengrundlage Um die Auswirkungen des klimabedingt veränderten Schaderregergeschehens auf Ackerbaubetriebe in Niedersachsen untersuchen zu können wurden fünf Fokusregionen mit unterschiedlichen ackerbaulichen Schwerpunkten gebildet. Jede Region zeichnet sich durch einen anderen Schwerpunkt im Anbau der Hauptanbaukulturen Weizen, Raps, Zuckerrübe und Mais aus. Die fünf Fokusregionen sind: Region 1 die Marschen der Küstenregion im Landkreis Aurich (Winterraps-Winterweizen-WinterweizenWintergerste), Region 2 mit Maisdaueranbau in Süd-Oldenburg, Region 3 ist der Landkreis Uelzen (Zuckerrübe-Winterweizen-Kartoffel-Winterweizen), Region 4 ist die Hildesheimer Börde (Zuckerrübe-Winterweizen-Winterweizen) und als Region 5 das Leinebergland im Landkreis Göttingen (Winterraps-Winterweizen-WinterweizenWintergerste). Aus Gründen der Vereinfachung wurde für jede Region nur ein Modellbetrieb gebildet, der eine für die Region typische Fruchtfolge repräsentiert. An den Modellbetrieben sollen mithilfe des Betriebsmodells FarmBoss® mittels Deckungsbeitragsvergleich der Produktionsverfahren Effekte (z.B. Ertragsminderung) durch Einfluss von veränderten Schaderregerbedingungen aufgezeigt werden. Abbildung 1: Farm Boss-Programmarchitektur, verändert nach MÜNCH und GOCHT [MG06] Für jede Region wurde ein Modellbetrieb gebildet. Datengrundlage für die Modellbetriebe bildeten Testbetriebsdaten, Zahlen aus den offiziellen Statistiken sowie Angaben von Beratern und Experten aus Wirtschaft, Forschung und Praxis. Daraus erfolgte eine Auswahl der prozessspezifischen Daten für die Modellbetriebe. Die Fokusregionen unterscheiden sich stark hinsichtlich der Standortund Anbaubedingungen. Die ökonomische Analyse der einzelbetrieblichen Anpassungen wird mit dem Betriebsmodell FarmBoss® durchgeführt (Abbildung 1). Das FarmBoss®-Softwarepaket ist ein privatwirtschaftliches Programmpaket und kann für die ganzheitliche strategische Beratung landwirtschaftlicher Unternehmen unter wechselnden Rahmenbedingungen genutzt werden. In das Betriebsmodell fließen eine Vielzahl von regionalen (Erträge und Standortgrunddaten) sowie produktionstechnischen (Maschinen, Saatgut, Pflanzenschutzmittel) Grunddaten der Modellbetriebe mit ein. 3 Ökonomische Analyse mit Farm Boss® Das Programm Farm Boss® ermöglicht die Implementation von Betriebsdaten (z.B. Erträge der Produktionsverfahren) in die Betriebsdatenbank jedes Modellbetriebs (siehe Abbildung 1). So kann die Datengrundlage für jeden Betrieb individuell angepasst und variiert werden. Anpassungen sind für alle produktionstechnischen Daten möglich. Um den Einfluss der klimabedingt veränderten Schaderregersituation auf die Pflanzenproduktion in niedersächsischen Ackerbaubetrieben zu untersuchen, wurden die Deckungsbeiträge der Produktionsverfahren als Maß genommen. Sie zeigen beispielhaft den Einfluss der Schaderreger, der sich indirekt über eine ertragsminimierende Wirkung wiederspiegelt. Unkräuter, Pilzkrankheiten und Schädlinge haben großes Schaderregerpotenzial für die Pflanzenproduktion [Oe06]. Pflanzenschutzmaßnahmen sorgen dafür, dass sich das ertragsmindernde Potenzial nicht voll entfaltet. Für Weizen kann der potenzielle Ertragsverlust weltweit bis zu 50% erreichen. Für Nord-Westeuropa wird der potenzielle Ertragsverlust durch Schaderreger mit 14% beziffert [Oe06]. In Abbildung 2 wird dargestellt, wie sich die Deckungsbeiträge der Produktionsverfahren in der Region 1 (Aurich/Marsch) durch Schaderreger bedingte Ertragsverluste entwickeln könnten. Die Entwicklung wurde dargestellt unter der Annahme, dass keine Anpassungsstrategien an die klimabedingt veränderte Schaderregersituation durchgeführt werden und die Bewirtschaftungsmaßnahmen gleich bleiben. Die Auswirkung von Ertragsverlusten auf die Deckungsbeiträge ist unterschiedlich. Die negativen Ertragseffekte wirken sich stärker auf die Deckungsbeiträge von Winterraps, Wintergerste und Stoppelweizen im Vergleich zu Qualitätsweizen aus. Diese Produktionsverfahren reagieren sensibler. Je stärker eine Kultur durch negative Ertragseffekte beeinflusst ist, desto stärker kann dies Einfluss auf die innerbetriebliche Wettbewerbsstellung der Produktionsverfahren im Betrieb haben. Die detaillierte Berechnung der Ertragsund Aufwandspositionen der Produktionsverfahren durch die Deckungsbeitragsrechnungen kann in FarmBoss® in einem weiteren Schritt durch Programmplanungsund Optimierungsrechnungen für jeden Modellbetrieb umgesetzt werden. Abbildung 2: Einfluss schaderregerbedingt sinkender Erträge auf den Deckungsbeitrag der Produktionsverfahren Qualitätsweizen, Stoppelweizen, Wintergerste und Winterraps in der Region 1 (Aurich/Marsch) 4 Schlussfolgerungen und Fazit In diesem Beitrag wurde dargestellt, wie sich Ertragsverluste durch eine veränderte Schaderregersituation aufgrund des Klimawandels auf die Deckungsbeiträge der Produktionsverfahren Weizen, Gerste und Raps auswirken können. Der wirtschaftliche Erfolg von Ackerbaubetrieben ist abhängig von der Leistungsfähigkeit der Produktionsverfahren. Geringe Ertragsverluste sind tolerierbar, jedoch werden sich die Betriebe an die sich durch den Klimawandel verändernden Umweltbedingungen anpassen müssen. Wie schnell der Klimawandel voranschreiten wird, ist noch nicht absehbar. Die landwirtschaftliche Produktion hat schon in der Vergangenheit ihre Anpassungsfähigkeit bewiesen. Für Landwirte wird in Zukunft die Frage der Risikoabsicherung, u.a. durch verstärkte Pflanzenschutzmaßnahmen, noch stärker in den Vordergrund treten. Die Nutzung von Betriebsmodellen als Hilfsmittel zur Entscheidungsfindung wird daher weiter an Bedeutung gewinnen. Literaturverzeichnis [MG06] Münch, T. und Gocht, A.: Farm Boss Software zur strategischen Beratung landwirtschaftlicher Betriebe, In: Referate der 26. GIL-Jahrestagung in Potsdam, 2006. [Oe06] Oerke, E.-C.: Crop losses to pests, Journal of Agricultural Science, Nr. 144, S. 31–43, Cambridge University Press, 2006. [Sc12] Schneidewind, U. et al.: Empfehlung für eine niedersächsische Strategie zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz, Regierungskommission Klimaschutz, Hannover, 2012. [SW07] Schaller, M. und Weigel, H.-J.: Analyse des Sachstands zu Auswirkungen von Klimaveränderungen auf die deutsche Landwirtschaft und Maßnahmen zur Anpassung, Landbauforschung Völkenrode, Sonderheft 316, Braunschweig, 2007. [TU08] Tiedemann, A. v. und Ulber B.: Verändertes Auftreten von Krankheiten und Schädlingen durch Klimaschwankungen. In: Tiedemann A. v., Heitefuss R., Feldmann F.: Pflanzenproduktion im Wandel – Wandel im Pflanzenschutz, Braunschweig, 2008.
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